Ein Ziel zu haben und dafür zu kämpfen, ist gut, besonders wenn es ein so ehrgeiziges ist wie das der EU. Unter der Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat sich die Europäische Union das Ziel gesetzt, Europa bis 2050 treibhausgasneutral zu machen. Das Projekt firmiert unter dem Namen Green Deal und die Finanzwelt nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Denn laut Berechnungen der EU-Kommission müssen zu einem erfolgreichen Gelingen bis zu 180 Milliarden Euro jährlich in den kommenden zehn Jahren bereitgestellt werden.

Steigende Nachfrage nach nachhaltigen Anlagemodellen

Dieser Finanzierungsbedarf deckt sich mit der steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Anlagemöglichkeiten. Immer mehr Anleger möchten ihren Beitrag zu einer besseren Welt leisten – es fängt bei der symbolisch eingesparten Plastiktüte an und reicht bis zur langfristigen Vermögensanlage und Altersvorsorge.

Nachhaltig investieren bedeutet, Anlageentscheidungen an ökologischen, sozialen und ethischen Kriterien auszurichten. Die Kürzel ESG stehen für Environment (Umwelt), Social Responsibility (Soziale Verantwortung) und Governance (Gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung).

Laut dem Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) wächst der Markt nachhaltiger Anlageprodukte mehr als doppelt so schnell wie konventionelle Anlageprodukte. Dennoch ist noch viel Luft nach oben: Per Ende 2019 liegt der Anteil nachhaltiger Fondsmandate bei rund 5,4% des Gesamtfondsmarktes. Das soll sich mit dem Green Deal und dem „Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ ändern.

Was ist für Sie nachhaltig?

Bei nachhaltigen Investments haben sich verschiedene Konzepte erfolgreich etabliert: Ausschlussfilter (Negativ-Screening), Best-in-class („Klassenbeste“), Themenfonds (z.B. Erneuerbare Energie), Integration von ESG-Faktoren und mehr. Um diese Vielfalt in Hinblick auf ihre ESG-Bewertung vergleichbar zu machen, arbeitet die EU an einem einheitlichen Klassifizierungssystem (Taxonomie). Eine gute Idee, wie ich finde, doch ich befürchte, dass hier ein bürokratisches Monster entsteht.

Deshalb lohnt der Blick hinter die Kulissen. Wer sich mit den Details der ökologischen und ethischen Geldanlagen auseinandersetzt, wird eine große Übereinstimmung mit den wichtigsten ESG-Kriterien feststellen. Der Ausschluss von Rüstungsunternehmen oder Gesellschaften, die mit ihrem CO²-Ausstoß die globalen Klimaziele torpedieren, ist fast schon obligatorisch. Wer so sein Geld anlegt, hat schon einiges getan.

Was bleibt sind die Grauzonen, die sich vor allem mit der eigenen Vorstellung von Nachhaltigkeit erklären. Wie gehen wir mit dem Konflikt um, dass Elektroautos zwar eine Null-CO²-Emission haben, aber die gesamte Ökobilanz der E-Autos inklusive der notwendigen Herstellung leistungsstarker Batterien verheerend ist und unzählige Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, weil der Bau eines E-Antriebs weniger komplex ist als ein Verbrennungsmotor? Wie soll mit Nahrungsmittelunternehmen umgegangen werden, die gentechnisch veränderte Lebensmittel vertreiben, gleichzeitig aber großen Wert auf Diversity in der Führungsetage legen?

Nachhaltig ist nicht gleich nachhaltig, vermutlich versteht jeder etwas Anderes darunter. Die Gefahr ist groß, am eigenen Anspruch zu scheitern. Deshalb legen wir in unseren gemanagten Strategiedepots großen Wert auf einen Mix verschiedener ESG-Ansätze. Denn: Nachhaltigkeit und eine gute Anlagerendite schließen sich nicht aus.